Instrument und Werk in Balance

Angela Metzger gelingt ein Spagat an der Fux-Orgel

Jede Orgel ist ein Unikat in einem bestimmten Raum, so dass die Frage der Registrierung, des Tempos und der Artikulation immer wieder neu und individuell beantwortet werden muss. Der Organist ist derjenige, dessen Kunst der Interpretation darüber entscheidet, wie gut Werk und Instrument aufeinander abgestimmt sind. Das trifft umso mehr zu, wenn wie im Fall der Fux-Orgel ein historisches Instrument gespielt wird, dessen klangliche Möglichkeiten sich am Erfahrungsschatz orientieren, wie er zur Erbauungszeit 1736 und geografisch begrenzt auf Süddeutschland vorhanden war. Spannend wird es, wenn sowohl Werke, die älter sind als das Instrument, als auch solche, die in unserer Zeit entstanden sind, an das Instrument angepasst werden müssen.

Den Spagat, das Instrument Fux-Orgel und die stilistisch unterschiedlichen Werke ihres Programms zusammenzubringen, unternahm die junge Münchner Organistin Angela Metzger bei der Matinee des Fürstenfelder Orgelsommers am Sonntag: Zwischen Werke der Barockzeit waren zwei zeitgenössische Kompositionen gestellt. Metzger studierte an der Hochschule für Musik und Theater München zunächst bei Edgar Krapp und zuletzt bei dessen Nachfolger Bernhard Haas und ist jetzt als Konzertorganistin tätig.

Mit vier Fugen aus dem Magnificat 6. Toni von Johann Pachelbel, dessen Lebenszeit vor dem Bau der Fux-Orgel liegt, begann das Konzert. So unterschiedlich die Themen der Fugen waren, Angela Metzger gelang es, den imitatorischen Verlauf jeweils so transparent zu gestalten, dass er für den Hörer gut durchhörbar blieb. Das lag auch an den stimmigen Tempi und einer Phrasierung, die “Luft” zwischen die Töne ließ. So entstand in Fuge 1 ein stabiler Verlauf, der statische Elemente mit verbindenden Zwischenstimmen kombinierte. In der nächsten Fuge gab es ein quirliges Thema, das im Gestus verspielt daherkam. Hier erwies sich die Bassstimme als solides Fundament und Harmonieträger. Quint- und Quartsprünge sowohl auf- als auch abwärts prägten eine weitere Fuge als motivische Idee.

Das Stück “abtasten”, Relief Nr. 2, aus dem Jahr 2013 von Johannes X. Schachtner erklang als nächstes. Die Vorstellung eines Abtastens der Töne wurde hier sehr unmittelbar hörbar: Waren es zunächst einzelne Intervalle, mit denen der Abstand zum repetierten Basston ausgemessen wurde, tasteten sich die Intervalle dann zu Dreiklängen vor. “Störgeräusche” – Dissonanzen im Sinn nebeneinanderliegender Töne – lösten die vorherige Idee ab und variierten in der Anzahl der Töne. “Abtasten” galt auch für den Klang. Isolierte oder schrille Töne gab es nicht, es wurden immer verbindliche Zusammenklänge gesucht.

Der lange am Passauer Hof tätige Georg Muffat gehört zu den Komponisten, die geografisch nahe am Fürstenfelder Orgelideal tätig waren. Seine Toccata octava aus dem “Apparatus Musico-Organisticus” lebte von der stimmigen Registrierung. Über dem Orgelpunkt veränderten sich zunächst allmählich die Harmonien. Später schraubte sich der bewegtere Verlauf allmählich nach oben und wieder zurück, bevor gegen Ende eine hymnische Verdichtung des Klangs einsetzte. Johann Sebastian Bachs großartige Fuga sopra il Magnificat BWV 733 beschloss das Programm. Die mit großer Ruhe vorgetragene fließende Bewegung nahm die Hörer gut mit und mündete am Ende in machtvolle Pedalklänge, die das dichte Geflecht der Oberstimmen beeindruckend abstützten. Viel Beifall und eine Zugabe.

Klaus Mohr

 

Süddeutsche Zeitung, 30.08.2018