Licht und großartige Farben

Erster Abend der Zwieseler Orgeltage mit Angela Metzger in der Stadtpfarrkirche

Zwiesel. Als im Frühjahr 1990 die erweiterte und vervollständigte Eisenbarth-Orgel mit drei Manualen, Pedal und nun 48 Registern in der Stadtpfarrkirche St. Nikolaus eingeweiht wurde, war nicht nur Fachleuten klar, dass diese Orgel ein außergewöhnliches Instrument geworden war, auf dem sich so ziemlich alles realisieren lässt, was für Orgel geschreiben worden ist. Seither haben das immer wieder Organisten unter Beweis gestellt.

Die „Zwieseler Orgeltage“ – in Zusammenarbeit von Stadtpfarrei Zwiesel, KEB und dem Arbeitskreis „Klingende Kirche“ – bieten die Gelegenheit, einmal andere als die „Hausorganisten“ an den Orgeln der Zwieseler Kirchen zu erleben. Am vergangenen Sonntag war der erste Abend der diesjährigen Orgeltage und dabei spielte Angela Metzger, die nicht zum ersten Mal in Zwiesel zu Gast war.

Der Raum der Stadtpfarrkirche ist wegen seiner sieben bis acht Sekunden Nachhall für Chöre und Organisten gleichermaßen ehrfurchtseinflößend, aber schon in der Vergangenheit hat sich des öfteren gezeigt, dass gute Organisten das im Griff haben. Angela Metzgers Spiel klang so, als wäre die Überakustik nicht vorhanden, so klar kam alles rüber. Sie begann mit Louis Vierne, der lange Jahre Titularorganist an der Notre Dame in Paris war.

An dem Regentag in Zwiesel tat „Hymne au Soleil“ (Hymne an die Sonne) richtig gut – zupackend gespielt, mit sattem Zungensound und gefolgt von der „Aubade“ (MOrgenständchen), wo die wunderschönen Flöten und die Hautbois der Orgel gut zur Geltung kamen. Beide Stücke gehören zu den „Pieces de Fantasie“, deren bekanntestes das berühmte „Carillon de Westminster“ ist.

Zeitreise dann ans Ende des 16. Jahrhunderts, als einer der stilbildensten Komponisten und Organisten des Abendlandes lebte: Jan Pieterszoon Sweelinck, seit seinem 18. Lebensjahr Organist an der Oude Kerk in Amsterdam. Bei den Variationen über das damals wohl sehr bekannte Volkslied „Onder een linde groen“ hörte man auch Klangkombinationen aus dieser Zeit: das charakteristische Tromboncini – ein kurzbecheriges Zungenregister im Rückpositiv – am Anfang, was eine fast mittelalterliche Anmutung ausstrahlt und die typischen Spaltklangregistrierungen dieser Zeit.

Wieder Zeitsprung, diesmal in die Moderne: Zsigmond Szathmárys „Moving colours“ aus dem Jahr 2006, ein sehr farbiges Stück, viele Läufe, Klangflächen, Tonwiederholungen. Dann folgte amerikanische Spätromantik. Mit John Franklin CarrØ erklang ein hierzulande zu Unrecht fast vollkommen unbekannter Komponist. Seine „Three images – a suite for organ“ hat es in sich. Der erste Satz „Cloister Shadows“ wirkt ein bisschen wie eine spätromantische Pastorale, während der zweite Satz „White Clouds“ mit seiner Kombination von Voix Celeste und der wundervollen Flöte im Hauptwerk an Vierne erinnert.

Am „amerikanischsten“ klingt der letzte Satz „Mirror lake“ mit seiner spätromantischen Chromatik und der raffinierten Harmonik. Danach folgte noch einmal ein modernes Stück, Dominik Susteks „Leuchten“ aus „Zeitfiguren“ aus dem Jahr 2014. So ein modernes Werk ist sicher nicht Jedermanns Sache, doch dank Angela Metzgers überzeugender Interpretation passte es wundervoll in den großen Kirchenraum und auf die Orgel.

Den fast schon obligatorischen Bach hob sich die Solistin für den Schluss auf – das großartige Präludium und Fuge Es-Dur BWV 552. Sowohl Präludium als auch Fuge sind immer wieder der Prüfstein für Organisten, verlangen sie dem Interpreten doch das ̃ußerste ab! Der Solistin gelang eine zupackende, zeitlose Interpretation, wobei sie vor allem im Präludium der Versuchung widerstand, allzusehr „im Bombast zu baden“. Das Ergebnis war erfrischend und klar durchhörbar und krönender Abschluss des Programms.

Fast ein „Must“ bei den Orgeltagen ist eine Zugabe; die kam diesmal von Jehan Alain. Seine „Fantasmagorie“ erinnert mit den fortwährenden Ton- und Akkordwiederholungen ein bisschen an Alains bekanntestes Werk, die berühmte „Litanies“. Angela Metzger, die schon wiederholt bewiesen hat, über welch vielfältiges Repertoire sie verfügt, hat hoffentlich nicht zum letzten Mal in Zwiesel gespielt!

Aurel v. Bismarck

 

Mit freundlicher Genehmigung des Bayerwald-Boten.

Bayerwald-Bote, 21.09.2022