Plastische Klangwelten

“Orgel-Mixturen” zeigt die ganze Bandbreite des Intruments

Wo sonst wäre ein Festival für neue Orgelmusik besser platziert als in der Kölner Kunst-Station Sankt Peter? Hier gibt es eine besondere Orgel für Neue Musik mit zahlreichen Spezialeffekten, Schwellern, Glockenspiel, Schlag- und Zupfinstrumentenregistern. Das Festival “Orgel-Mixturen” leitet seit 2007 der Organist und Komponist Dominik Susteck. Die vier Konzerte der 16. Ausgabe boten viele programmatische Werke bis hin zu regelrechten Tondichtungen. Besonders plastisch wurden die suggestiven Klangbilder durch die stereophone Aufstellung der zweiteiligen Orgel vorne und hinten im Kirchenschiff.

Die ausgezeichnete Münchner Organistin Angela Metzger gab zwei Konzerte. Als Uraufführung spielte sie Dorothea Hofmanns “…brennend wie eine Fackel” nach einem Vers aus der “Offenbarung des Johannes”. Zu untergründigem Wummern künden schroffe Fanfaren vom Schrecken der Apokalypse, tönen düstere Choräle und zischen Klänge kometengleich durch den Raum. Dann hämmern apokalyptische Reiter über aufspringende Gräber und ergießen sich gleißend schwarfe Cluster wie die sieben Plagen. In Nazuko Naritas Orgel-Partita “Sakura Sakura” werden dagegen Zeilen eines japanischen Kirschblütenlieds von leuchtenden Klangketten wie von rosa Blättern umflattert und durch plötzlich losbrechende Winde des vollen Orgelwerks fortgewirbelt.

Die von Metzger fulminant gespielten Klangattacken in Mark Andres “Himmelfahrt” hinterließen am Ende nur minutenlanges Geräusch von Motor und Gebläse wie ien konkret irdisches Gegenstück zum ex negativo gemeinten anderen Leben und Atmen im Jenseits. “Apokalypse” lautete auch ein Satz aus Domnik Sustecks einstündigem Zyklus “Raumgestalten”, von Metzger brillant gespielt und


Spieluhr, Zwitschermaschine und Flötengruppe


jüngst auf CD veröffentlicht. Die überwiegend grafisch notierte Partitur erlaubt je nach Spiel- und Registermöglichkeiten große Gestaltungsfreiheiten, welche die mit dem Kölner Instrument gut vertraute Interpreting mitreißend auszuspielen verstand.

Rainer Nonnenmann

 

Kölner Stadt-Anzeiger, 04.08.2020