Behändes Orgelspiel ohne Hände

Unendlich reichhaltig ist die Orgelliteratur: Das zeigte die Konzertorganistin Angela Metzger beim ersten Orgelmittwoch dieses Jahres in der Kirche Wiederkunft Christi. Sie bot Orgelmusik – dargeboten sogar mit den Füßen.

Kolbermoor – Sie begann zwar mit barocker Musik, wechselte dann aber zu wenig bis kaum bekannten modernen Komponisten: Von Gaston Litaize (1909-1991), einem von Geburt an blinden französischen Komponisten, spielte sie zwei der sanft modernen „Douze Pièces“. Die Registrierung im „Intermezzo pastoral“ ließ an Hirtenflöten oder -Schalmeien denken, das „Scherzo“ ist namensgemäß tanzlustig mit einem Mittelteil zum Ausruhen. Beiden Stücken widmete Angela Metzger sich mit sorgfältiger Ruhe.

Polystlistische Musik

Die Musik, die der amerikanische Komponist William Albright (1944-1998) schuf, kombiniert Elemente tonaler und nicht-tonaler klassischer Musik mit amerikanischer Popmusik und nicht-westlicher Musik und wird als polystilistisch bezeichnet. Zumindest ist sie ungewöhnlich: Das „Nocturne“ aus dem Organbook III überschrieb Albright mit „im Marimba-Style“ – dieser „Style“ wird dadurch erreicht, dass beide Hände im Dauertremolo spielen. Das ergibt einen reinen Klang ohne erkennbare „Melodie“, eben einen träumerischen Nachtgesang. „Jig for the feet“ ist wörtlich zu nehmen: Dieser moderne Tanz ist nur mit den Füßen zu spielen. Ein wunderliches Bild, wenn die Organistin ihre Hände auf die Orgelbank legt und nur mit den Füßen spielt: ein behändes Spiel ohne Hände.

Mit stolzgeschwelter Brust

Spritzig-beschwingt war der Beginn, das Concerto d-Moll von Antonio Vivaldi, von Bach für Orgel bearbeitet. Die Fuge kam wie mit stolzgeschwellter Brust dahermarschiert, das Largo war bedachtsam und bedeutungsschwer, das Finale fast swingend heiter hüpfend. Als Zugabe wählte Angela Metzger „Fantasmagorie“ von Jehan Alain (1911-1940), ein ruhelos in sich kreisendes Motiv, zweistimmig mit sich überkreuzenden Händen gespielt.

Rainer W. Janka

 

Oberbayerisches Volksblatt, 07.01.2022