Von der Magie der Töne siegreich beflügelt
„Cool, ich flieg nach Tokio“, war die erste Reaktion der 26-Jährigen, als sie ihren Namen auf der Teilnehmerliste des internationalen Orgelwettbewerbs fand. Immerhin war die Zahl derer, die sich der Jury stellen durften, auf 15 begrenzt. Weltweit wohlgemerkt, wobei drei der begehrten Plätze Japanern vorbehalten waren. Die Bewerberzahl war mit 95 hoch – nicht zuletzt weil der alle vier Jahre durchgeführte Wettstreit die Besonderheit aufweist, dass die Musiker Flug und Hotel bezahlt bekommen. Und das von Beginn an, nicht erst nach einer weiteren Qualifikation. Außerdem war die Stückwahl im Finale frei, was auch selten ist.
Mit diesem hatte sich Angela Metzger zwar beschäftigen müssen, für die Absbergerin, die in Spalt bei Ingrid Heubusch ihren ersten Klavierunterricht nahm, war das aber „ganz weit weg“. Zwar mangelt es der jungen Frau, die einen Großteil ihrer Jugend beim Spalter Trachtenverein verbrachte, nicht an Selbstbewusstsein, aber immer, wenn es um Jury-Entscheidungen gehe, sei man eben – ganz wertfrei gesehen – von Menschen, deren Geschmack und auch Tagesform abhängig. „Das ist kein 100-Meter-Lauf nach dem Motto: Schnellster, Goldmedaille, tschüss.“
Auch der Blick in die Teilnehmerliste ließ die Chancen nicht steigen: Sie und ein Franzose waren die einzigen Europäer, die in Japan spielen durften. Und dort genießt das Orgelspiel einen ganz anderen Stellenwert, das Instrument ist geradezu „in“, wie Metzger berichtet.
„Zufrieden bin ich ohnehin nie“, sagt die 26-Jährige im Rückblick, aber auch ganz allgemein. Gerade bei Wettbewerben komme es immer darauf an, wie man mit Fehlern umgehe – „was auch immer einer sein mag“. So betrachtet hat sie natürlich Fehler gemacht, aber wohl auch den Geschmack von Jury und Publikum getroffen. Vielleicht weil Werke von Bach und damit Deutsche allgemein beliebt sind. Von einer Frau sei sie nach dem Wettbewerb auf der Straße in dem Stadtteil Musashino angesprochen worden. Wobei es „sprechen“ nicht ganz trifft, denn die Zuhörerin war weder der englischen noch der deutschen Sprache mächtig …
Master-Abschluss ist das Ziel
Gut, dass es da die typischen Fingerbewegungen gibt, die Angela Metzger, seit sie acht Jahre alt ist, täglich begleiten. Sie lernte zunächst Klavier, weil das die Voraussetzung für die Orgel war – das hatte das kleine Mädchen früh herausgefunden. Woher diese Begeisterung kam, kann sie nicht mehr genau sagen. Mit dazu beigetragen habe aber wohl die Wirkung der Orgelmusik in der Kirche. Wenn diese erklingt, wird es feierlich, der Gottesdienst beginnt, die Besucher stehen auf. Es mag ein Stück weit Ironie sein, dass gerade diese oft enge Verknüpfung der Orgelliteraturstücke mit der christlichen Religion in Zeiten von Kirchenferne und steigenden Kirchenaustritten dazu führt, dass sich viele Menschen nicht (mehr) auf diese musikalische Richtung einlassen und ein Orgelkonzert meiden, weil es in der Kirche stattfindet. Denn ein wenig mehr Resonanz wäre hie und da schon schön, sagt die Musikerin, die nach ihrem A-Diplom-Abschluss als Kirchenmusikerin derzeit noch Hauptfach Orgel an der Hochschule für Musik und Theater in München bei Professor Edgar Krapp mit dem Ziel des Master-Abschlusses studiert.
Die Aufmerksamkeit wünscht sich die Absbergerin nicht für sich, sondern für die Musik, die so unglaublich facettenreich ist. Neben klassischen Werken und bekannten Melodien wie Bachs „Allein Gott in der Höh“ gebe es viele schöne, anspruchsvolle und moderne Stücke, wie die Diplom-Musikerin – neben der Orgel kann sie einen Abschluss mit der Oboe vorweisen – erklärt. Auch bei dem Wettbewerb in Japan war ein Werk von einem noch lebenden Komponisten gefordert. In der ersten und zweiten Runde spielten die Teilnehmer hinter einer Wand, sodass die Jury kein Gesicht zu der Musik hatte. Schwer fiel der Absbergerin nur der Einstieg. Weil die Zeit zum Einregistrieren und Einspielen kurz war, wohl aber auch wegen einer gewissen Müdigkeit. So sei schon viel Energie für die Konzentration „draufgegangen“.
Von den zwölf Teilnehmern blieben zunächst acht übrig, fünf durften im Finale spielen. „Als ich an der Informationstafel gelesen habe, dass mein Name dabei ist, hab’ ich erst mal einen Kakao gebraucht“, erinnert sie sich. Die Aufregung sei aber nicht gestiegen, denn „du kannst ja eh nicht mehr machen als spielen“, meint sie ganz sachlich. Emotionaler war da schon die Preisverteilung. Ein wenig auch, weil die Geduld von Mitwirkenden, Anhängern und Publikum gefragt war. Denn da schlug die japanische Gründlichkeit zu. Kein Beginn, ehe nicht alles perfekt ist. Und dann erst mal Begrüßungs- und Dankesreden …
Beim „dritten Preis“ fiel ihr Name zu einem Zeitpunkt, als sie schon fast abgeschlossen hatte – immerhin waren ja drei Japanerinnen im Finale. Natürlich wirke der Preis als Bestätigung und habe ihre Leidenschaft für das Instrument größer werden lassen. Wenn das überhaupt noch geht, denn so fasziniert, wie Angela Metzger von der Magie spricht, die von der Orgel ausgeht, ihrem Klang und dem herausfordenden Umstand, der wie kein anderer sei, erkennt man, dass sich da zwei Teile gefunden haben.
Auch Angela Metzger und Japan passen gut zusammen: Sie verbindet ihr Perfektionismus.
Nordbayern Online, 05.11.2012